Blog-Layout

Gedanken zum Jahresschluss und zum neuen Jahr


7 Leitsätze für 2022

Diese Leitsätze habe ich entwickelt zum Jahreswechsel 2020/2021 angesichts der Corona-Pandemie. Damals hätte ich kaum geglaubt, dass sie auch beim Jahreswechsel 2021/2022 noch aktuell sind.
Bei aller Existenzangst vor Konsequenzen der Pandemie: es gab in diesem Jahr auch wertvolle Erfahrungen. Diese Erfahrungen möchte ich nicht so schnell verlieren. Darum nehme ich sie als Leitsätze mit in das neue Jahr 2021.

 

1.    Ich gehe mit dem Vertrauen auf den Gott des Lebens in das neue Jahr.
Die wichtigste Erfahrung des vergangenen Jahres bringt der Apostel Paulus für mich auf den Punkt, wenn er im 2. Korintherbrief viel Durchlittenes aufzählt und im Blick auf all das schreibt: „…und seht, wir leben!“ (2 Kor 6,9). Selbstverständlich ist es nicht, dass wir leben! Manch einer hat vielleicht mit neuer Intensität erlebt, was für ein Geschenk das Leben ist. Wir können vieles für Gesundheit und Lebensqualität tun. Ob es gelingt, liegt nicht in unserer Hand. Darum will ich das neue Jahr als ein Geschenk Gottes ansehen und jeden neuen Tag genießen. Ich will das Vertrauen pflegen, dass Gott an meiner Seite geht: oft unerkannt, oft so, dass sein Dasein mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt. Vielleicht ist er auch an meiner Seite wie der Auferstandene zwischen den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus: Sie erkannten ihn nicht. Er ging an ihrer Seite. Ihnen brannte das Herz. Später erst, als er das Brot brach, erkannten sie ihn.
Auf jeden Fall: ich lebe! Darum kann ich dieses neue Jahr beginnen.

2.    Ich will mir Zeit nehmen für mich selbst und für die Menschen, die zu mir gehören.
Auch wenn es mit der Zeit vielleicht anstrengend wurde, es war wertvoll, nicht vor mir selbst wegzulaufen, es bei mir selber auszuhalten. Vielen war es wertvoll, bei ihrer Familie zu sein, Zeit zu haben für die Frau, den Mann, die Kinder. Es tat gut, Zeit miteinander zu verbringen. Es hat das Vertrauen gestärkt, dass wir gemeinsam stark sind, dass es gemeinsam mehr Freude macht: es tut einfach gut, nicht allein durchs Leben zu gehen. Mancher hat seine Familie und auch sich selbst ganz neu entdeckt. Das möchte sie, möchte er, das möchte ich aus dieser Krise in die neue „Normalität“ (wenn sie denn kommt), in das neue Jahr hinüberretten und lebendig erhalten!

3.    Ich will respektvollen Abstand halten und gleichzeitig Nähe zeigen.
„Abstand halten“ – das war für mich sehr gewöhnungsbedürftig, in der Kirche genauso wie an der Kaufhauskasse. Wie wichtig und Leben-rettend das sein kann, ist mir erst in der Krise bewusst geworden. Nicht nur in Coronazeiten ist es gut, wenn man sich nicht zu nah „auf die Pelle rückt“. Mit Abstand sehe ich den anderen besser. Mit Abstand reiße ich ihm den Zaun seiner persönlichen Sphäre nicht ein. Distanzlose Menschen sind oft nur schwer zu ertragen. Nicht zu vergessen: Manchmal muss man sich auseinander-setzen, auf Abstand gehen, um sich neu zu finden. Manchmal denke ich: Ob Gott sich wohl deshalb so oft auf Abstand hält, damit er uns nicht zu sehr „auf die Pelle rückt“, damit wir Freiheit zum Leben behalten?

4.    Ich möchte eine große Wertschätzung behalten für Menschen in Berufen, die sich für andere viel gefallen lassen.

Durch die Coronakrise sind manche Berufe ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt, die sonst kaum beachtet sind, die zum Teil auch durch sündhaft schlechten Lohn missachtet werden. Dem Pflegepersonal in Krankenhäusern und Seniorenheimen wurde Applaus geklatscht. Kassiererinnen im Supermarkt erhielten kleine Geschenke als Anerkennung. Die Polizei, Rettungsdienste, LKW-Fahrer für den notwendigen Nachschub und Müll-Entsorger wurden mehr als sonst be- und geachtet. Manche Berufe bekamen eine Sonderzuwendung für ihren aufreibenden Dienst. Aber sie alle sind Frauen und Männer, die nicht nur zur Coronazeit in Treue ihren oft aufreibenden Dienst tun. Ob sich Politik und Wirtschaft auch nach Corona noch dafür interessieren, dass sie gerechten Lohn verdienen und dadurch auch Wertschätzung erfahren? Ich jedenfalls möchte solche Wertschätzung mit in das neue Jahr nehmen.

5.    Ich möchte das Gespür für Solidarität mit ins neue Jahr nehmen.
Viele haben In diesem Jahr Solidarität gezeigt. Beim Gang durch die Stadt fand ich Plakate, auf denen sich junge Menschen anboten, für die einzukaufen, die das Haus nicht verlassen durften oder konnten. Ich habe von Aktionen gehört, die Menschen mit Lebensmitteln versorgten, weil die Tafeln geschlossen werden mussten. Sehr viele, die nicht zu einer Risikogruppe gehörten, haben sich, solidarisch mit Menschen aus Risikogruppen wie zum Beispiel alten Menschen, an die Regeln gehalten. Nichtsesshafte und Obdachlose waren besonders darauf angewiesen, dass man sie wahrnimmt und ihnen unter die Arme greift: mit Lebensmitteln, mit Hygieneartikeln und einem freundlichen Lächeln. Solches und vieles mehr, oft ganz still und unauffällig angeboten, hat manchem geholfen, die Pandemie bis heute zu überstehen. Was mich sehr bewegt ist die Frage: Werden die starken Länder Europas solidarisch mit den Schwächeren sein, wenn es gilt, den Wiederaufbau nach der Pandemie anzupacken? Alles andere wäre eine Bankrotterklärung für die europäische Idee und eine Schande.

6.    Ich will die Erinnerung an den Verzicht dieses Jahres in das neue Jahr mitnehmen.
Durch Verzichten habe ich neue Wertschätzung gelernt.  Auf vieles mussten wir in diesem Jahr verzichten, auch im Bereich des Religiösen: Wir mussten auf Gottesdienste verzichten, sogar am Osterfest. Mir hat das bewusst gemacht, welch ein Geschenk der Gottesdienst ist, der mir so selbstverständlich geworden war. Im Gottesdienst mussten wir, als er wieder möglich war, auf Nähe verzichten, auf Zeichen wie den Friedensgruß, auf Gesang.  Dieser Verzicht hat mich gelehrt, wie wertvoll das alles ist. Wertschätzung für Selbstverständliches möchte ich mitnehmen ins neue Jahr.

7.    Ich wünsche mir, dass die vielerorts aufgeblühte Kreativität bleibt.
Diese Krise hat viel Kreativität aufblühen lassen. Was ist Menschen nicht alles eingefallen, um Lebendigkeit und Lebensmut in der Zeit der Lebensbedrohung lebendig zu halten! Kinder haben für Alte gemalt. Eltern haben mit ihren Kindern Steine bemalt und als „Steinschlangen“ Wegränder damit geschmückt. Balkone wurden zu Konzertbühnen: ganze Straßenzüge haben auf dem Balkon oder am offenen Fenster gesungen. Künstler haben sich per Videoschaltung verbunden, musiziert und diese Musik zur Freude vieler über das Internet verbreitet. Autokinos wurden zu Gottesdienstorten oder zum Ersatz für die Aula, um die Abiturzeugnisse zu überreichen, und, und, und…
Wie schön wäre es, wenn viele von uns so kreativ blieben!

Gute Erwartungen

2020 war für viele ein schmerzliches Jahr mit schmerzlichen Verlusterfahrungen, mit Zumutungen. Aber es war auch ein Jahr positiver Überraschungen und kreativer Wege, die mich das Leben ganz neu entdecken ließen. Und darum gehe ich mit Gott in das neue Jahr, weil ich ihn auch hinter den positiven Erfahrungen des letzten Jahres zu entdecken glaube. Darum möchte ich auch 2021 ein Christ sein, wie ihn der evangelische Theologe Ernst Lange charakterisiert hat: „Christen sind Menschen, die sich nicht von ihren schlechten Erfahrungen leiten lassen, sondern von ihren guten Erwartungen.“
Heribert Arens in der Zeitschrift "Der Prediger und Katechet,, 1, 2020/2021

Zum Jahreswechsel

 „In deiner Hand steht meine Zeit“ / Psalm 31,16

Ich schaue zurück auf 12 Monate – den wiederkehrenden Kreislauf
          das Neuwerden im Frühling
          das Wachsen und Reifen im Sommer
          das Ernten im Herbst
          das Ruhen und Warten im Winter

Ich schaue zurück auf 52 Wochen – den Wechsel
          von Freude und Trauer
          von Zuversicht und Mutlosigkeit
          von Fülle und Leere
          von Arbeit und Erholung

Ich schaue zurück auf 365 Tage – gefüllt mit
          Gespräch und Wortlosigkeit
          Gesundheit und Krankheit
          Versöhnung und Auflehnung
          Hoffnung und Verzweiflung

 Ich schaue zurück auf 8.760 Stunden –
          Stunden von Frohsinn und Traurigkeit
          Stunden von Stärke und Versagen
          Stunden von Verstehen und Fragen
          Stunden von Geborgenheit und Trostlosigkeit
          Stunden von Dankbarkeit und Enttäuschung

 Ich schaue zurück auf 525 600 Minuten –
          Minuten – gefüllt oder verschwendet
          Minuten – befreiend oder einengend
          Minuten – entscheidend oder verpasst
          Minuten – …

 Ich schaue zurück auf 31 536 000 Sekunden –
          jede Sekunde – ein Herzschlag
           jede Sekunde – ein neuer Anfang
          jede Sekunde – von Gott geliebt
          jede Sekunde …

Ich schaue voraus auf das neue Jahr
     mit dem VERTRAUEN
          getragen von der  HOFFNUNG
                „In deiner Hand steht meine Zeit“
 Sr. Martino Machowiak cps,  2021

Share by: